Allrode im Wandel

 

 

Allrode, am Rande einer Hochebene zwischen dem Selketal und dem Tal der Luppbode 490m hoch gelegen nennt sich selbst eine „ruhige Sommerfrische“.

 Hier wohnen 838 Einwohner in 198 Häusern, die alljährlich von vielen Sommergästen aufgesucht werden. Für diese sind die nachfolgenden Zeilen geschrieben, zur Erinnerung an froh verlebte Wochen und Herstellung dauernder Beziehungen zu den Menschen und zum Dorf.

 In zweifacher Hinsicht war das Dorf lange Grenzort: es lag an der Ostgrenze des Braunschweiger Landes und bildete die Mundartgrenze zwischen dem mitteldeutschen und dem niederdeutschen Sprachgebiet.

 In der jüngeren Steinzeit, etwa 5000 bis 2000 Jahre vor der Zeitwende, lebten hier die thüringischen Bandkeramiker. Sie wurden so von der Wissenschaft des Spatens genannt, weil sie ihre Tongefäße durch Bandeindrücke mit stich- und strichförmigen Verziehrungen versahen, wodurch eigenartige Muster hervorgerufen wurden. Sie waren eine ackerbautreibende Bevölkerungsgruppe,  die aus dem Donaugebiet stammte und hier zusagende Bodenverhältnisse vorgefunden hatten. Als Zeugen ihrer Anwesenheit hinterließen sie drei Steinbeile, davon zwei Flachbeile und eine Hacke. Die ersteren bewahrt das Museum für Völkerkunde in Berlin auf, die letzte behütet das Museum in Quedlinburg.

  Im Städtischen Museum in Braunschweig wird ein Steinmesser aufbewahrt, das in der Nähe des Fußweges Allrode – Stiege aufgefunden wurde. Ferner konnten ans Tageslicht gebracht werden Steinwaffen als Beigabe eines Skeletts, das in der Nähe des Kalkofens aufgedeckt wurde. An der Chaussee in der Nähe von Bärenrode hat man Urnen geborgen.

 In ältester geschichtlicher Zeit saßen hier die Cherusker. Im 3. und 4. Jahrhundert drangen die Thüringer herein. Bei dem Sturz des Thüringer Reiches im Jahr 831 fiel das Land den Sachsen anheim. Später wanderten diese wieder ab. Im 6. Jahrhundert wurde der Ostharz von den fränkischen Königen Chlotar I (gest.561) und Sigibert (gest.575) den Nordschwaben eingeräumt. Infolge des Pippinschen Feldzuges im Jahr 748 wurde hier von fränkischen Priestern das Christentum eingeführt. Kirchlich lag unser Ort im Harzbann (bannus nemoris) des 814 gegründeten Halberstädter Bistum, das sich bis über Hasselfelde und Stiege hinaus erstreckte. Bis zum 11. Jahrhundert befanden sich in den unwirtlichen Gegenden des Gebirges nur einige Jagdhöfe, wie Bodfeld, Siptenfelde, Hasselfelde. 

 In den 80er Jahren des 11. Jahrhunderts erstiegen auf der Suche nach neuen Wohnsitz die Höhen des Harzes Angehörige des nordalbingischen Stammes der Holsaten, die aus ihrer Heimat um ihres Glaubens willen ausgewandert waren. Sie begannen jetzt den Wald zu roden und das Land urbar zu machen, um den Acker zu bestellen und Vieh züchten zu können. Nach fränkischem Recht war der Harz Königsgut. Der König hatte Anspruch auf das unbewohnte und herrenlose Gebiet. Auf diese Weise fiel der Harz, 781 und 803 „Haertz“ genannt, dem Fiskus zu, wurde konfisziert. Das Harzgebiet war als Bannforst das beliebteste Jagdgebiet der Könige aus sächsischen Stamm und wurde lange Zeit nur als Jagdrevier besucht und genutzt. Es wurden Jagdhöfe angelegt und diese mit großem Wirtschaftsgebiet ausgestattet. Diese Jagdhöfe, auf denen Könige und Kaiser bis auf Heinrich III. zur Jagd zu weilen pflegten, sind uns als die ersten Ansiedlungen auf dem Harz bekannt. Ihre auffällige schematische Namensgebung scheint dem Kopf eines Verwaltungsbeamten entsprungen zu sein. Als Grundwort ist regelmäßig „feld“ angewendet, eine Namensbildung, die nachweisbar dem 8. und Anfang des 9. Jahrhunderts angehört. Das Bestimmungswort aber liefert meist, wenn möglich, der in der Nähe fließende Bach oder Fluss. So hat der Könighof  Bodfeld (936) von der Bode, Selkenfeld (961) von der Selke, Siptenfeld (936) von der Sippe und Hasselfeld (1043) von der Hassel seinen Namen empfangen.  Die Form  der Jagdhöfe hatte ihr Vorbild in den Kastellen des römischen Limes. Die Länge betrug etwa 260, die Breite ca. 170 m. Auf der Seite des Eingangs war eine rechteckige Vorschanze angelegt. Um die Mauer oder den Wall lief ein nach römischem Muster hergestellter Spitzgraben. Die Anlage entsprach den Musterbeschreibungen derartiger Wirtschaftshöfe, wie Karl der Große sie in den Kapitularen beschreibt. Anstelle der Mauern traten auch mitunter Pfähle und Flechtwerk. Schutz gab auch eine auf einen Erdwall gesetzte Dornenhecke

 Ein Jagdhof setzte sich aus vielen Gebäuden zusammen, sie enthielten die Wohnung des Herrn, Unterkunftsräume für Knechte und Hörige, Ställe für Pferde, Kühe, Schafe, Schweine, Schuppen und Scheuern für mancherlei Zweck, Arbeitsräume, die zum Spinnen und Weben dienten und Räume zur Herstellung allerlei Gebrauchsgegenstände. Der Hof enthielt ferner eine Schmiede, das Mahl und Backhaus und das Kellerhaus, bildete also eine ausgedehnte Anlage, die sich wohl der Räuberei erwehren, vor feindlichen Nachbarn und kleineren Streifscharen schützen konnte, aber einem Angriff eines größeren Aufgebots nicht zu widerstehen vermochte. Die wichtigste Nutzung war die Jagdbeute. Bodfeld und Siptenfeld lieferten den Zehnten ihres Jagdertrages.    

Dort wo ein leicht schmiedbares Eisenerz zu Tage stand, wurde auch eine Eisenschmiede betrieben.

 Nach fränkischem Recht hatte der König nicht nur Anspruch auf das herrenlose und unbewohnte Gebiet. Auch das Ödland, welches die Siedlungen umgab, richtete sich der Anspruch des fränkischen Königs. Die Grenze, früher eine Fläche, wurde zur Linie. Aus dem königlichen Anspruch wurden in den einzelnen Gemarkungen Hufen gebildet. Größere zusammenhängende Besitzungen bildeten ein Herrengut. Das Königsgut bildete den wichtigsten Besitz des fränkischen Staates. Den Markgenossen stand als gemeinsame Nutzung zu: der Holzschlag, die Schweinemast und die Schweineweide. Diese Nutzung am Walde bildeten ein regelmäßiges Zubehör der fränkischen Hufe. Nicht dazu gehörten: Jagd, Fischfang und Vogelfang. Wer sich dieses Recht anmaßte frevelte am  königlichen Eigentum. Das Wild im Walde, der Fisch im Wasser, die Vögel in der Luft gehörten dem König. Nur seine Beamten und Knechte dürfen jagen oder fangen. Das Holz durfte nur unter Aufsicht  und gegen Abgabe geschlagen werden. Übertretungen wurden durch das Forstgericht gestraft, Axt, Wagen, Pferde durch den Torestarius oder seine Knechte gepfändet. Als Zubehör des königlichen Jagdhofes Hasselfelde wird der Ort Voßhagen am Krugberg genannt. Dieser Ort war ursprünglich Reichslehen, ein Rest des durch zahlreiche königliche Verleihungen sonst aufgeteilten Bannforstes. Kaiser Otto IV. belieh mit Voßhagen den Grafen Siegfried II. von Blankenburg (1186 bis 1241), in dessen Güterverzeichnis der Ort aufgezählt wird. Der Blankenburger Graf  belehnte den Vasallen Friedrich von Hoym mit dem Ort und allen seinen Nutzungsrechten. Nach diesem werden als Lehnleute genannt die Brüder Bertram und Sigfried von Hoiem.

Der Harzgau, der 748 dem Frankenreich angeschlossen worden war, wurde 780 der provincae Saxonae zugelegt. Dadurch war er eine Landschaftsgrenze geworden. Das kommt in der vita Liutbirgae zum Ausdruck, die um 870 geschrieben wurde. Der Harzgau umfasste den Bodfelder Forst mit Einschluss von Hasselfelde und Stiege und reichte bis zur Hohenstraße bei Güntersberge, wo die Quelle der Selke liegt. Auch Voßhagen gehörte zum Harzgau. Das Dorf hatte ein Kloster, in dem Nonnen lebten. Da kam der Schwarze Tod übers Land, das Dorf Voßhagen wurde wüst. Dorfstelle und Feldmark wurden mit Allrode vereint. Die letzten Reste des Nonneklosters wurden 1785 zu einem Bau in Allrode verwendet. An die alte Vergangenheit von Vosshaben erinnert heute noch die Flurnamen: das Elend, die Straße, alte Kirche, Nonnenholz.

Eine Sage berichtet folgendes:                Der Glockenborn

Südlich vom Krugberg lag vor 750 Jahren das Dorf Voßhagen. Dort stand auch eine Kirche. Im Turm hing eine schöne Glocke. Als ein Krieg kam, hatten die Bewohner Angst, dass die Feinde sie herunterholen und zur Herstellung von Waffen verwenden könnten.

Nun lag in der Nähe der Kirche ein Wasserloch. Die Bewohner nahmen die Glocke ab und versenkten sie. Im Verlaufe des Krieges kam die Pest über das Dorf und die Leute starben. Als nun der Krieg zu Ende gegangen war und der Friede Einzug gehalten hatte, wollten die Allröder die Glocke heben. Sie hatten sie schon bis zur Oberfläche gebracht. Da quetschte sich ein Mann den Finger und stieß darüber einen schrecklichen Fluch aus. Da redete die Glocke mit menschlicher Stimme: „Ich heiße Susanne, komm nimmer zu Lande“. Dabei versank sie in die Tiefe und wurde nicht mehr gesehen. Das Wasserloch, in dem die Glocke liegt, heißt heute noch Glockenborn.

 
 

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