neulich

 

Am 2.Juli 1945 lösten Angehörige der  Roten Armee die amerikanischen Besatzungstruppen ab. Die leitenden Funktionäre des Dorfes, die bis dahin noch tätig gewesen waren, wurden abgelöst und durch Antifaschisten ersetzt. Von den 9 Personen, die in Haft genommen wurden, kehrten 4  nicht mehr zurück.

 Seit 1945 waren in Allrode tätig die Bürgermeister Stein, Bendler, Kasten und  Neugebauer.

 Seit 150 Jahren gab es in Allrode  4 Vollspänner ( Gustav Westphal, Walter Pfeiffer, Gustaf Eitze Nr.29  und Frau Hellmann ), 2 Halbspänner ( August Rienäcker, Paul Hartrott ), die übrigen waren Kärnerhöfe, Handdiensthöfe und Anbauer, zusammen 89 Feuerstellen. Durch die Bodenreform von 3. September 1945 erhielten zusammen 55 Personen 2,15 ha Land und 25,3 ha Wald aus enteignetem Privatbesitz.

 Von 1940 bis 1953 war Allrode Mittelpunkt der Scharr- Harz – Gewinnung. In zwei Betrieben wurden 8 Brigaden zu je 8 bis 10 Mann beschäftigt. Ihr Bereich war das Harzgebiet bis an die Zonengrenze. Der Ertrag belief sich auf 250 bis 300 t. Für einen Zentner  erhielt der Harzkratzer 4,25 Mark. Dazu traten Zuschläge für Steilhang und Kilometergeld.

 Ein Teil der Bevölkerung bemüht  sich als Klein- und Mittelbauern dem kargen Boden Ernteerträge abzugewinnen. Später als im Flachland zieht der Pflug über den Acker.  Länger als in anderen Gegenden dauert die Kartoffelernte, die vom Surren der Dreschmaschinen begleitet wird. Obst und Gemüse werden den Bewohnern aus dem Flachland zugeführt. Der Allröder arbeitet nicht gerne dort , „ wo´s hult und pfifft“. Sie gehen in den Forst und arbeiten als Holzhauer. Die Frauen pflegen die Baumkulturen oder stoßen die Rinde der gefällten Bäume ab. Andere arbeiten in den Schwerpunktbetrieben unserer Umgebung. Autobusse bringen die Werktätigen täglich nach dem Eisen- und Hüttenwerk Thale zur Arbeit oder befördern sie nach Rübeland in die Kalkwerke oder schaffen sie zur Arbeit in die Rappbodetalsperre nach Wendefurt.

   

Das kulturelle Leben des Dorfes wird von der Grundschule und der Ortsgruppe des Kulturbundes bestritten. Die Brauchtumsgruppe veranstaltet alle 6 Wochen einen Harzer Heimatabend mit Liedern, Gedichten, Zither- Solo, Jodeln, Schnurren in Allröder Mundart und Darbietungen der Mandolinengruppe.

  Die Natur- und Heimatfreunde veranstalten Lichtbildervorträge mit Agfa-Color-Bildern über Allrode und die weitere Umgebung. Der Theaterzirkel bringt monatlich zu Zeit 40 Personen nach Quedlinburg ins Theater und in den Sommermonaten ins Bergtheater. Allwöchentlich am Sonntag veranstaltet der Landfilm im Saale der Gaststätte „Stadt Braunschweig“ nachmittags eine Filmvorführung für Kinder und abends für Erwachsene. Während der Sommerferien errichten verschiedene Betriebe in Allrode und Umgebung Betriebsferienlager, die sich steigender Beliebtheit erfreuen. Zu Pfingsten zieht der Allröder Vogelfreund nach Thale zum Finkenmanöver. Den Winter über werden in Werkstätten Finken gehalten, die mit Beginn des Frühjahres in Freiheit gesetzt werden. Einige wenige Einwohner treiben Kanarienvögelzucht und verkaufen die Männchen als Harzer Roller. Ein Vogelfreund konnte in diesem Jahr 90 Kanarienvögel schlüpfen lassen. Im Mai werden die brauen Harzer Bergkühe auf die gemeinsame Waldwiese getrieben. Dabei tragen die Kühe ein Halsband mit einem Glöckchen.

   Zu Ostern flammte früher auf dem Osterberg ein Feuer auf. Jetzt brennt die Jugend auf dem Schützenplatz ein Osterfeuer ab. In der Nacht vor Ostern treibt die Jugend im Ort allerlei Schabernack. Personen werden unversehens mit Osterwasser begossen, dem Nachbarn werden die Hoftore ausgehängt und fortgetragen. Haustüren sind oft nicht mehr vorhanden. Der Ofen raucht plötzlich, weil der Schornstein mit einer Glasscheibe abgedeckt wurde. Wagen werden in den Dorfteich gefahren; Schlüssellöcher schließen nicht mehr, weil Papier oder gar Holzkeile darin stecken, und Fenster werden mit Schmutz beschmiert. Leider artet vieles in eine Sachbeschädigung aus, und eine Vorladung zur Vernehmung ist die Folge.

  Zu Sylvester ziehen die Schulkinder Gaben heischend  und Verse hersagend von Haus zu Haus und erhalten Nüsse, Äpfel, Pfefferkuchen und wohl auch Geld. Auch Gemeindediener, Totengräber und Nachtwächter gratulieren zum Jahreswechsel und erhalten dafür ein Geldgeschenk.

   Zu Pfingsten wurde ein Mädchentanz veranstaltet. Die Mädchen zogen mit einer bändergeschmückten Maie durch das Dorf. Auf den verschiedenfarbigen Seidenbändern hatten sie ihre Namen gestickt. Das Band wurde einem Burschen angeheftet, und dieser wusste nun, mit wem er den Abend über am meisten zu tanzen hatte.

   Brautleute, von denen ein Teil im Walde arbeitet, müssen nach der Trauung gemeinsam ein Holzscheit durchsägen. Aus ihrem Benehmen schließen die umstehenden Tanten usw., ob die Ehe Aussicht hat, glücklich zu verlaufen. Einem Ehepaar das mit „Vorliebe“ geheiratet hat, wird ein kunstvoll hergestellter Storch hoch über die Tür des Hochzeitshauses gehängt   

 Das Hochfest des Jahres war früher (bis 1939) das Schützenfest. Die Schützengesellschaft setzte die Tradition der Harzschützen  - was das Schießen betraf – fort. Es dauerte drei Tage und wurde auf dem Schützenplatz abgehalten. Die Jungen bliesen mit Pusterohr, die Unverheirateten und die Verheirateten schossen mit der Scheibenbüchse. Alle drei Mannschaften schossen den König aus, der am 3.Tag eingeführt wurde. Drei Bierzelte, Verkaufstände für Süßigkeiten, Kuchen und Wurst sowie eine Tanzdiele bewirkten, dass sich jedermann nach seiner Neigungen und seinem Geschmack vergnügen konnte.

 Seit der Jahrhundertwende war Allrode bekannt als Herstellungsort von ausgezeichnetem Zwieback, der von Handelsfrauen auf Rückentragen nach Blankenburg, Thale und Quedlinburg gebracht und dort gern nach Schock gekauft wurde.  Durch den Weltkrieg  kam dieser Wirtschaftszweig zum Erliegen.

 Der Allröder ist von Berufs wegen eng mit dem Walde, seinen Bäumen und den Tieren, verbunden. Aus den Zeiten des Feudalismus hat er sich die Freude an der Jagd erhalten, bei der er immer als Treiber mitwirken musste. Der letzte Bär wurde 1705 erlegt, der letzte Wolf 1818, der letzte Luchs 1818. Natürlich hat der Allröder oft auch eine eigene Waffe geführt und heimlich den jagdbaren Tieren nachgespürt. Vielfach vergisst er aber, dass sich seit 1945 die gesellschaftlichen Verhältnisse gewandelt haben, dass Wald und Wild Volkseigentum geworden sind. Einzelne geraten dadurch in den Verdacht der Wilderei, werden inhaftiert und müssen sich Haussuchungen gefallen lassen. Die Straffen sind heute streng, und hinter manchem  Allröder schließt sich für einige Monate die Gefängnistür.

Das politische Leben des Dorfes wird von Parteien und Massenorganisationen bestimmt. Am 13. April 1946 wurde ein Ortsverband der christlich demokratischen Union gegründet. Seine Vorsitzenden waren Gustav Wöhler, Oskar Weiß und Hedwig Wiesner. Wenn der Ortsverband auch nie über 20 Mitglieder herausgekommen ist leisten die Mitglieder doch wertvolle Arbeit als Gemeindeschwester, Vorsitzende des DFD, Vorsitzender des Kulturbundes, Sekretär der FDJ, im Blockausschuss in der Gemeindejugendkommission, im Wohnungsausschuss usw.

 

  

Nach geschichtlichen Urkunden und mündlichen Überlieferungen aufgezeichnet von:

  Karl Groß

Lehrer in Allrode zu dieser Zeit Abschrift der dritten Niederschrift des Manuskripts von 1955

Abschrift vom 30.12.99

Angefertigt von Richard Rienäcker

 

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